Anna Oppermann: Darstellung im visuellen Bereich

in Katalog: Identität -- Versuche bildhafter Selbstdefinition, Berlin/Frankfurt a. M. 1974, o. S.

Darstellung im visuellen Bereich ist für mich Kompensation von Frustration und Aggression und -- Reflexion. Es gibt Motivationen, die bewußt und gewußt sein müssen. Ich baute Stilleben auf, um ein Bild zu machen (wie Maler seit jeher tun), machte Skizzen, wurde selten fertig mit dem Bild (was als Unvermögen empfunden wurde), machte Fotos von einzelnen Phasen und arrangierte irgendwann alles zusammen, um Stilleben und Übersetzung besser vergleichen zu können. -- Manche Skizze ist besser als die Zeichnung, man fragt sich warum -- warum gerade so -- dieses Symbol, jenes Symptom.
Indem ich spontane Äußerungen, Klischees, Idylle, Zustände, Phrasen, Paraphrasen, Projektionen und Assoziationen fixiere, habe ich die Möglichkeit herauszubekommen, wer, wie, was und warum ich, andere, die Zustände, die Umstände "so" sind.
Manches ist altarähnlich arrangiert, hat aber mit Religion und Mystifikation nichts zu tun, was natürlich nicht heißt, daß alles dem Bewußtsein zugänglich ist.
Wichtig: Hinweis auf mein persönliches intensiv sein zuerst im organischen Bereich -- orgiastisch im Nächstliegenden! -- Dann Interesse an den Reaktionen des Unbewußten -- Stellungnahme des Bewußtseins -- Konflikt der Trennung dieser Ebenen, der Intellekt und Intuition wiederum stimuliert. Widerspruch und Ergänzung durch andere werden erhofft.
Ich hasse endgültige, sich absolut gebärdende Formulierungen. Zitate innerhalb des Ensembles sind nicht etwa als umfassende Deutungen hinzunehmen. Da ein gebrochenes Verhältnis zur Verbalartikulation besteht, kann ich mich über ein Wort oder Zitat mindestens so wundern, wie über ein Fundstück, das mein visuelles Interesse erregt. Im übrigen schätze ich an meinen Ensembles besonders, daß ich entfernen und ergänzen kann.
Es wurde akzeptiert die Freudsche Deutung, daß künstlerische Darstellung Ersatz für oder Flucht vor dem Leben sei: "Phantasiewelt als Schonung beim schmerzlich empfundenen Übergang vom Lust- zum Realitätsprinzip."
Bediene ich mich der Wahrnehmungslust der Formschönheit als Verlockungsprämie? (Freud)
Darstellung im visuellen Bereich ist für mich Katharsis, Meditation, Reflexion, Kommunikation.
Suche ich meine Identität oder versuche ich sie zu bewahren? Bin ich parasitär? Emanzipation kontra Manipulation!
Richard de Martino: "Das Ego als bejahendes Subjekt kommt chronologisch nicht vor dem Ego als bejahtes Objekt, noch kommt seine Individualisierung vor seiner Spaltung."


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