Anna Oppermann: Entstehungsgeschichte der Methode


I. in the catalog: Anna Oppermann Ensembles 1968 bis 1984, Hamburg and Brussels 1984, pp. 58-59 (the text is from 1978 but was published as late as 1984)

II. partial English translation

 

 

I.


Entstehungsgeschichte der Methode


Es fing damit an -- damals, Mitte der sechziger Jahre --, daß das Betrachten eines Objektes, das verstärkte Betrachten einer Pflanze, eines Laubblattes, hervorgehoben in einem Spiegel oder dadurch, daß ich das Blatt zeichnete, für mich irgendwann als etwas ganz Wunderbares erlebt wurde. Diesen meditativen Zustand, die erlebte Verschmelzung von mir und einem Gegenstand, wollte ich damals darstellen, um mir diesen angenehmen Zustand für die Erinnerung festzuhalten und auch anderen Menschen dieses Erlebnis nachvollziehbar zu machen, ihnen dasselbe Erlebnis des Wohlbefindens zu ermöglichen. Es war dies der von Freud zitierte Paradiesgarten, in den sich der Mensch in seiner Phantasie flüchten kann, und es war naiv im Hinblick auf realisierbare Vermittlung. Ich baute damals (wie heute immer noch) Stilleben auf, um Bilder (Einzelstücke) zu malen. Es waren auf diesen Bildern stilisierte Körperformen, in deren Zentrum sich ein Spiegel oder ein Spiegel mit Pflanzlichem befand. Andere Versuche der Verführung des Betrachters waren gemalte Knie, aus der Sicht eines Sitzenden vor einem eher naiv gemalten Tisch mit Stilleben, z. B. Spiegel, Früchten, Skizzenzetteln (möglichst trompe l'oeil), und ich stellte mir vor, Außenstehende würden sich in ihren Gedanken in dieses Bild hineinsetzen können. Auch diese Erwartungen wurden kaum erfüllt, und deshalb baute ich Kästen, in die man sich hineinsetzen konnte, oder deren Negativformen (dem sitzenden Körper entsprechend) den Rezipienten zu einer in Muße verweilenden, meditativen Betrachtung des in einem Kasten auf einer Tischfläche befindlichen Aufbaus von real Pflanzlichem, gezeichnet Pflanzlichem, fotografiert Pflanzlichem, in Verbindung mit Zitaten, veranlassen würden.

Von hier bis zum offenen Arrangement, in das man hineingehen, sich hineinsetzen, sich hinlegen kann, war nur ein kleiner Schritt. Natürlich war nicht nur die Sorge um die Vermittlung alleinige Ursache meiner Bemühungen. Es war auch ganz allgemein die Frage nach dem »warum«, die irgendwann eine Form erforderlich machte, die Ergänzungen und Veränderungen ermöglichte. Es fing an mit Deutungsversuchen individueller Bildsymbole, der Frage nach den Motivationen des Vorgehens im Ensemble allgemein und endete mit Untersuchungen von persönlichen und allgemeinen Konfliktsituationen, was zwangsläufig das Studium psychologischer, soziologischer und philosophischer Literatur zur Folge hatte.

Reflexion, Analyse und Bewußtwerden von Problemen erforderte das Einbeziehen anderer Ausdrucksebenen, und das war bei mir, da ich vom Bild herkam, die der Sprache. »Die Sprache der anderen nicht zu verlernen«, war damals -- Ende der sechziger Jahre -- geradezu lebensnotwendig für mich, da eine situationsbedingte Isolation mein an gängigen Umgangsformen gemessenes Sprachvermögen auf ein Minimum reduziert hatte.

Der Aufbau unter dem Tisch bezieht sich auf ein Ensemble, in dem ich damals diese Probleme versuchte, in den Griff zu bekommen. Im Hinblick auf das Thema Text-Bild-Relation habe ich anhand eines Bezugsfotos aus dem Ensemble »Anders sein ...« die Zustände von damals im Vergleich zu heute noch einmal reflektiert: es ist das Problem: Reden oder Schweigen, Autismus -- Kommunikation, Verrücktsein oder Überleben, das Außenseiterproblem als Mensch oder Künstler.

[see also the ensemble Künstler sein (Zeichnen nach der Natur, zum Beispiel Lindenblütenblätter) Selbstdarstellung, Selbstverständnis und die Entstehung der Methode / Being an artist (Drawing from natur, for example Linden blossom petals) Self-projection, one’s self-image and the origin of the method]]




II.


Origins of the method


It all started -- back then, in the middle of the sixties -- that the viewing of an object, the intensified contemplation of a plant, a leaf, brought forth in a mirror or because I was drawing it, at some point became for me a completely wonderful experience. This meditative state, where I experienced a melting together of myself and an item, was something which I wanted to put forth, in order to preserve this comfortable state for myself and to make this experience duplicable for other people, to make possible this experience of well-being for them as well. It was as in Freud's quote about the garden of paradise, in which a person can flee into his fantasy. It was naive in respect to an achievable mediation. At that time (as I still do today) I was building still-lifes, in order to paint individual pictures. Within these pictures were body shapes, in whose center a mirror or a mirror with plant matter appeared. Further attempts at the seduction of the viewer were painted knees, from the view of one sitting before a more naively painted table with still-life, for example, mirror, fruits, sketch pads (preferably trompe l'oeil). I imagined that outsiders would be able to place themselves within this painting in their thoughts. However these expectations were also rarely fulfilled, and that is why I built crates, in which one could place him/herself, or whose negative forms (with relation to the sitting figure) would invite the recipient to meditatively contemplate the crate on a table, containing real plant matter, drawings of plants, photographs of plants, in connection with quotations.

From this point the open arrangement, into which one can go, sit down or lay down, was only a short step. Naturally the concern over this mediation was not the only cause of my efforts. It was also the general question of "why", which at some point required a form, made expansions and changes possible. It began with attempts to clarify individual symbolic pictures, the general question of the motivation of the progress in an ensemble, and ended with examinations of personal and general conflicts, which forced the study of psychological, sociological and philosophical literature. Reflection, analysis and becoming conscious of problems necessitated the inclusion of other levels of expression, which was for me, since I came from the picture, the language. "Not to unlearn the language of the others" was at that time -- the end of the sixties -- a necessity of life for me, since a situational isolation had reduced my language abilities to a minimum, compared to those of others in typical social situations.

[...]


[Translation: Marie Oamek
Original German text and bibliographical information see above
for this text see also the ensemble Being an artist (Drawing from natur, for example Linden blossom petals) Self-projection, one’s self-image and the origin of the method]